Donnepp Media Award 2025
Laudatio auf Preisträgerin Judith Scheytt
in der Kategorie „Besondere Ehrung“,
gehalten von Medienkritikerin Nadia Zaboura am 29. Januar 2025 im Grimme-Institut, Marl
Liebes Publikum, wie angekündigt: ich habe die Freude, auch die zweite Laudatio des „Donnepp Media Award 2025“ in der Kategorie „Besondere Ehrung“ zu halten, hier im Grimme-Institut. Eng mit diesem Raum und mit diesem Haus verbunden ist der Name Lutz Hachmeister. Als ehemaliger Direktor des Grimme-Instituts, aber auch als Journalist und Autor, Filmregisseur und Filmproduzent blickte er so kenntnisreich wie kritisch auf deutsche Medien, mit stets scharfsinnigem Humor. Er ist viel zu früh von uns gegangen und in diesen Tagen kommt mir immer wieder ein Gespräch mit ihm in den Sinn. Darin konstatierte er nüchtern eine „De-Intellektualisierung“ des deutschen Medienbetriebs. Mit den hier und heute Bepreisten erkennt man klar eine Gegenbewegung: Sie stehen für die Einladung zum Nachdenken, zum Selbstdenken und: zum wahrhaft Miteinander ins Gespräch treten, zur gemeinsamen Reflexion - sei es mit spielerischem Anspruch, sei es mit analytischer Emphase.
Und damit kommen wir von der Tradition zur Moderne, vom anarchisch-mediensatirischen Register eines Oliver Kalkofe zum analytisch-tiefgründigen Fach der Medienpublizistik, in der die diesjährige Preisträgerin zu verorten ist:
Journalistische Doppelstandards, Framings, Floskeln und Falschinformationen bis ins kleinste Detail verständlich zu dekonstruktieren und: die Auswirkungen auf die deutsche Debatte und Demokratie sichtbar zu machen, das ist die medienkritische Paradedisziplin von Judith Scheytt. Ihre Arbeit realisiert sie offen zugänglich und zielgruppengerecht auf der Social-Media-Platform Instagram - genau dort also, wo große Medienmarken sich immer wieder vor valider Kritik abschotten.
Dabei verfolgt die Preisträgerin, die sich selbst als „climate justice and human rights activist“ beschreibt, neben verschiedenen Sujets wie Klimagerechtigkeit oder Pressefreiheit am Beispiel des WikiLeaks-Gründers Julian Assange auch ein spezifisches Thema, genauer: ein journalistisches Missverhältnis, das der Politologe und Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez als - Zitat - „die größte publizistische Einseitigkeit seit den 1960er Jahren“ beschreibt: Die deutsche Berichterstattung über Israel und Palästina, der laut repräsentativer Studie des NDR knapp die Hälfte der Befragten wenig oder gar nicht vertraut - jeder bzw. jede zweite.
Mit diesem medienkritischen Fokus füllt Judith Scheytt eine Leerstelle im hiesigen Diskurs: Während zahlreiche medienjournalistische Formate sowohl in öffentlich-rechtlichen als auch in privatwirtschaftlichen Medien trotz der hohen Relevanz einen möglichst großen Bogen um dieses Thema machen - zu komplex, zu kompliziert, zu heikel - oder es wenn, dann nur punktuell thematisieren, richtet Judith Scheytt ihr medienpublizistisches Augenmerk konsequent und kontinuierlich auf die deutsche Nahost-Berichterstattung - und das gleich doppelt:
Da wären einerseits ihre pointierten, temporeichen, spannungsvollen und im besten Sinne herausfordernden Videoanalysen über das, was die Wissenschaft als „journalistic malpractice“ bezeichnet: Am konkreten Beispiel der ARD Tagesschau dokumentiert & dekonstruiert sie bspw Muster fehlender Neutralität, systemischen Ungleichgewichts und fortlaufender Framings, unter anderem in Form oftmals journalistisch uneingeordneter Wiedergabe von Kriegskommunikation (bis in die Titel), der Auswahl bzw. Nicht-Berücksichtigung von Quellen, Gesprächspartnern und Experten oder dem Auslassen zentraler Informationen, die in Summe eine Unter- bzw. Fehlinformierung des Publikums nach sich ziehen und aktiv Medienmisstrauen bis hin zur Medienabwendung erzeugen können.
Doch nicht nur das reichweitenstärkste Nachrichtenformat des Öffentlich-Rechtlichen leuchtet Judith Scheytt in ihren Videoanalysen kritisch aus: Ebenso dekonstruiert sie den Polit-Talk Hart aber Fair, einen Kommentar im Deutschlandfunk, der faktisch zum Bruch mit Völkerrecht aufruft sowie die zweiteilige Analyse einer Sendung des Medienmagazins ZAPP des NDR, anhand der sie u.a. anschaulich verdeutlicht, dass das reine Abbilden verschiedener Meinungen ohne die gebotene Einordnung keine journalistische Schöpfungshöhe erreicht - insbesondere nicht im Medienjournalismus, der im besten Falle Macht - sei es Macht in Medien oder in der Politik -, nicht unkritisch wiedergibt, sondern Macht adäquat kontrolliert.
Ihre medienkritischen Videoanalysen reichert Judith Scheytt transparent und nachvollziehbar mit Quellen und Studien an - und erschafft so auf ihrem Kanal einen offenen Raum, in dem sich neben Medienkritik- und Demokratiebildung ein lebendiges Gespräch über Medienqualität, Medienversagen und Medienzukünfte entfaltet und verstetigt.
Und neben den Videos wären da andererseits auch die tagesaktuellen Kurzanalysen, kurz: Stories, in denen die Preisträgerin kompakte, durchaus auch scharfe Einordnungen medienethischer Verfehlungen vornimmt - sei es bspw. in Form struktureller Kritik an der Aussage einer bekannten Moderatorin, die einer Menschengruppe „weniger Würde als Tiere“ attestiert, sei es durch den wirksamen Einsatz von Bild-Text-Scheren, mittels derer sie spezifische, euphemistische Wordings und Texte über Kriegsgeschehen mit der Klarheit internationaler Berichterstattung kontrastiert. Allesamt Themen, die im institutionalisierten deutschen Medienjournalismus privatwirtschaftlicher wie öffentlich-rechtlicher Natur in ihrer Tragweite oftmals inhaltlich unterbeleuchtet oder auch gänzlich unbeachtet bleiben.
Als Chronistin ihrer Zeit ermutigt Judith Scheytt das Medienpublikum, zu Faktenfans und zu aktiven Gestaltern in einem immer aufgeheizteren Diskurs zu werden - und lädt dazu ein, die eigene Rolle als Medienkonsument aber auch als Medienproduzent kritisch auf fehlendes Wissen, Doppelstandards und stereotypisierende Vorurteile über jüdische, muslimische und arabische Menschen abzuklopfen. Sie bewegt Menschen dazu, Denkschranken abzubauen, die den Blick verstellen auf das, was ist und sie weitet den Blick dafür, Menschenrechte und Menschenwürde nicht selektiv, sondern universell zu verstehen. In diesem Sinne lässt sich ihre Medienkritik als Antidot gegen Ignoranz verstehen, als demokratische Praxis und humanistische Verpflichtung.
Judith Scheytt, darüber ist sich die Jury des Donnepp Media Awards einig, erschafft - Zitat - „mit ihrer Medienkritik auf Instagram eine neue und wahrhaft zeitgemäße Form der Medienpublizistik: mit tiefem Kenntnisreichtum und analytischer Brillanz nimmt sie sich so konzentriert wie zielgruppengerecht und unterhaltsam die gröbsten Verstöße gegen journalistische Professionalität und Integrität vor.“
Wir gratulieren Judith Scheytt zur Auszeichnung mit dem Donnepp Media Award 2025 in der Kategorie „Besondere Ehrung“.